Vorstellung Lotus Eletre: Der Spagat

Der Auftritt war very british. Der neue Lotus reiste zur Premiere in einem beleuchteten Container über die Themse vorbei an der beleuchteten Tower Bridge und dem illuminierten, 135 Meter hohen Riesenrad. Ins BBC-Studio fuhr das erste Lotus-SUV dann kein Geringerer als Jenson Button. Der Formel 1-Weltmeister von 2009 machte dann auch sofort klar: „Ich liebe Sportwagen. Aber ich bin mittlerweile ein Familienmensch.“

Der Eletre dürfte ihn nicht enttäuschen. Schließlich soll das neue SUV seine 2,2 Tonnen in 2,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen. Und dieser Vortrieb soll erst bei Tempo 260 elektronisch abgeregelt werden. Trotzdem: Ein über fünf Meter langes SUV, wie passt das zu einer Traditionsmarke, die bislang eher für leichtgewichtige, puristische Sportwagen stand? CEO Matt Windle erklärt mit einem Seitenblick auf Porsche, wo neben dem 911 ja auch ein Cayenne im Showroom steht: „Wichtig ist unsere DNA und die wird der Eletre haben. Wir werden unsere Kunden beim Handling sicher nicht enttäuschen.“

Dafür bekommt der neue Lotus das Modernste, was es Fahrwerkstechnik zu bieten gibt. Dazu zählen die Luftfederung mit aktiver Höhenverstellung, die Wankstabilisierung, aktive Stabilisatoren, die Fünf-Lenker-Hinterachse und die aktive Hinterachslenkung.

Der Eletre will aber nicht allein mit seinem Fahrwerk punkten. Er will schon auf den ersten Blick beindrucken. Dazu zählt vor allem die Frontpartie. Von der Seite betrachtet sieht sie aus wie ein aufgerissenes Haifischmaul. Überraschend sind auch die Proportionen. Die Überhänge vorn und hinten sind ausgesprochen kurz. Die Seitenlinie ist weit hochgezogen und die 23 Zoll großen Räder passen zur dynamischen Linie. Die flache Frontscheibe beginnt bereits auf Höhe der Vorderräder.

Lotus-Designchef Peter Holbury: „Die Modernität macht auch beim Auto nicht halt. Vergleichen Sie alte Dampf-Lokomotiven mit heutigen Schnellzügen. Oder Flugzeuge. Die hatten auch früher die Motoren vorn, heute sind sie seitlich und hinten. Damit hat sich die Fronpartie total verändert. Das Gleiche erleben wir jetzt beim Auto. Glücklicherweise müssen wir keinen großen Achtzylinder oder gar einen Zwölfzylinder im Bug unterbringen. Mit dem Elektroantrieb haben wir ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten und gewinnen mehr Platz für den Innenraum.“

Die Aerodynamik beeinflusst das Design maßgeblich. Dabei geht es in erster Linie nicht um die Kühlung der Batterie, sondern um Effizienz. SUV haben in der Regel große Stirnflächen, an denen sich der Fahrtwind abarbeitet. Deshalb wird die Luft bei Lotus nicht nur elegant an der Oberfläche der Karosserie entlanggeleitet, sondern durch sie hindurch. In Kanälen strömt die Luft durchs Auto. Der geringere Luftwiderstand ermöglicht bei einer maximalen Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h eine Reichweite von circa 600 Kilometern.

Und der neue Lotus soll nicht nur schnell, sondern auch sicher fahren. Deshalb haben ihm seine Entwickler ein hochmodernes Lidar-System spendiert. Die Sensoren in der Frontscheibe, in den beiden vorderen Kotflügeln und in der Heckscheibe garantieren in Kombination mit den Heckkameras in den beiden Außenspiegeln eine 360-Grad-Rundumsicht und sind bereits für das autonome Fahren auf Level 4 ausgelegt. Der Eletre hat dafür die Hardware an Bord. Und wenn die Gesetzgeber in den einzelnen Ländern die Freigabe erteilen, dann soll die Technik über ein Over-the-Air-Update freigeschaltet werden.

Mit den puristischen Fahrmaschinen der Vergangenheit hat der Eletre nicht mehr viel gemein. Er soll auch eine Transformation einleiten. Und zu dieser Strategie zählt auch der 800-Volt-Elektroantrieb. Das schwere Batteriepaket der Elektric-Premium-Archtitectur (EPA) wurde sehr tief im Unterboden platziert. „Mit dem tiefliegenden Schwerpunkt haben wir beim BEV gegenüber einem SUV mit Verbrennungsmotor, wo der Schwerpunkt höher liegt, eine gar nicht so ungünstige Lage, was die Fahrdynamik betrifft“, erklärt Flavio Friesen, im neuen Lotus-Entwicklungszentrum in Raunheim bei Frankfurt zuständig für Chassis, Fahrwerk und Fahrverhalten. Der Eletre bekommt seinen Feinschliff auf dem Nürburgring. Friesen: „Wir werden eine Fahrstabilität und ein Fahrerlebnis anbieten, das sich sehr sportlich anfühlt und viel Spaß macht.“

Dies ist bei weitem nicht die einzige Herausforderung, der man sich in Raunheim stellt. „Es ist sehr einfach, Elektromotoren mit hoher Spitzenleistung zu bauen, aber die Herausforderung ist die Dauerleistung“, erklärt Christian Kunstmann, Senior Chefingenieur Elektrische Antriebssysteme und Thermische Integration. „Elektrische Antriebe haben thermische Grenzen. Das Thermomanagement ist der Schlüssel um wiederholbare Leistung zu gewährleisten. Wenn sich die Batterie und die Motoren erhitzen, haben wir bei hohen Temperaturen einen Leistungsverlust.“

Der Eletre soll sich dank Allradantrieb aber nicht allein flink auf der Rennstrecke bewegen, sondern eine Transformation der englischen Traditionsmarke einleiten. Zur puristischen Sportlichkeit soll ein Schuss Premium und Luxus addiert werden. Wer den Eletre mit den ausfahrbaren Türgriffen öffnet, der wird zunächst etwas erstaunt sein. Wer Leder und Edelhölzer erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen gibt es viel Carbon, Microfaser-Kunststoffe und Woll-Stoffe für die Sitzbezüge. In der Cockpit-Mitte residiert ein 15,1 Zoll (38,4 Zentimeter) großer Bildschirm, der sich schwenken lässt. Armaturen sucht man vergebens. Fahrinformationen gibt es auf einem drei Zentimeter hohen Leuchtband – für den Fahrer wie den Beifahrer, der sich aber auch andere Informationen einspielen kann.

Bei der Bedienung üben die Lotus-Entwickler den Spagat. Es gibt Basis-Informationen über Schalter, Sprachsteuerung, Touch-Möglichkeiten und Head-up-Display. Diese Vielfalt hat Gründe. „Wir haben es mit völlig unterschiedlichen Kunden zu tun. In Amerika um die 45 Jahre alt, in China 25 Jahre alt“, erklärt Holbury. „Chinesische Kunden sind anspruchsvoller bezüglich der digitalen Aspekte als Kunden in europäischen Ländern. Chinesen bevorzugen ein gewisses Maß an Interaktion. Lotus ist bislang bestimmt nicht für ein digitales Erlebnis und Konnektivität bekannt. Die digitale Komponente ist die wichtigste Veränderung der Marke“, erklärt Serino Angellotti, als Leitender Chefingenieur für Elektronik und Software verantwortlich.

Eletre ist nach den beiden Sportwagen Evija und Emira das dritte Auto der neuen Lotus-Ära. Die Produktion des SUV startet Ende 2022. Der Verkauf soll Anfang 2023 beginnen. Im Jahr darauf wird eine elektrische Limousine vorgestellt. Danach folgt ein kleines E-SUV und schließlich elektrische Sportwagen. Wurden 2021 gerade einmal 1700 Autos abgesetzt, so soll sich das bis 2026 ändern. In China, wo der Elektre gebaut wird, hat man eine Kapazität von 150.000 Einheiten. In Hethel, der englischen Heimat von Lotus, wurde die Kapazität auf 15.000 Einheiten ausgebaut. Auch wenn Windle betont, „im Zentrum unserer Arbeit stehen die Sportwagen“, so zeichnet sich doch klar ab. Die Zukunft von Lotus hängt von Lifestyle-Automobilen wie dem Eletre ab. (Bernd Ostmann, cen)

Daten Lotus Eletre

Länge x Breite x Höhe (m): 5,10 x 2,14–2,23 x 1,63
Radstand (m): 3,02
Antrieb: 2 E-Motoren, Allrad, Torque Vectoring
Leistung: 441 kW/ 600 PS
Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 2,9 Sek.
Batteriekapazität: über 100 kWh
WLTP-Reichweite: 600 km
Leergewicht: 2200 kg
Preis: ca. 119.000 Euro


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Präsentation des Lotus Eletre in London.

Präsentation des Lotus Eletre in London.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Lotus


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