Kein gutes Licht auf Personenwagen mit Plug-in-Hybrid?

Die Sorge, nach der Corona-Pandemie könne nun der Putin-Krieg in der Ukraine ein Lieblingsthema der üblichen Besorgten aus den Medien verdrängen, bricht sich heute Bahn: Das Redaktions-Netzwerk Deutschland (RND) der Madsack-Gruppe widmet sich der Wiederbelebung des längst abgearbeiteten Themas der Verbrauchswerte bei Personenwagen. Dabei ist der Anlass angemessen, der Aufhänger aber nicht und schon gar nicht die Einordnung.

Anlass ist die Vorschrift aus Brüssel, nach der bis zum 1. April alle Hersteller die tatsächlichen Verbrauchswerte ihrer Fahrzeuge melden müssen, gemessen mit der elektronischen Kontrolleinheit, die Kraftstoff- und Stromverbrauch im realen Verkehr ermittelt. Die EU wird die Ergebnisse auswerten.

Die üblichen Besorgten werden aber schon heute mit veralteten oder falschen Daten und unhaltbaren Aussagen von den Autoren herangezogen. So wird an die Aussage der Umweltlobby International Council on Clean Transportation (ICCT) erinnert, der Unterschied zwischen der Herstellerangabe des Verbrauchs und der Wirklichkeit könne bis zu 40 Prozent ausmachen. Vergessen wird erstens das Alter der Aussage und zweitens der Hinweis auf die Ursache der Unterschiede. Das war eben nicht böser Wille der Automobilhersteller. Wie der Verbrauch gemessen wurde, hatte der Gesetzgeber festgelegt. An dieser Stelle haben wir die Diskrepanzen hunderte Male beklagt.

Dem ICCT und anderen ist es zu danken, dass die Hersteller heute nach realistischeren Szenarien Verbrauchswerte ermitteln müssen. Stichwort: Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure oder WLTP, zum Teil auch Real Driving Emissions (RDE) sowie nun auch OBFCM. Allein diese drei Namen stehen für die Probleme, Regeln zu definieren, nach denen ein wirklich realistischer Normverbrauch ermittelt werden kann. Am Ende des Tages scheitert aber jede Norm am Gasfuß des Fahrers. Solange der im Spiel bleibt, haben auch die Werte Spiel nach oben oder unten.

Das gilt unter den neuen sparsamen Antrieben besonders für die mit Plug-in-Hybridantrieb. Hier hat der europäische Gesetzgeber seine Hand besonders kräftig im Spiel. Ein solcher Plug-in-Hybrid schafft heute mit seinem Zwitterantrieb elektrische Reichweiten um die 50 Kilometer. Das reicht zum Beispiel bei vielen Pendlern für einen Arbeitsweg komplett ohne Emissionen vor Ort. Der Verbrennungsmotor wird nur auf Langstrecken aktiviert. Das hat der Gesetzgeber mit einer Rechenformel honoriert, die davon ausgeht, dass so ein Plug-in-Hybrid in die meiste Zeit elektrisch fährt. Das Ergebnis muss der Hersteller als Durchschnittsverbrauch in seinen Fahrzeugangaben nennen, will er keine Abmahnung etwa von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) kassieren. Dann stehen in den Fahrzeugunterlagen schon einmal Traumwerte von deutlich unter drei Litern Kraftstoff im Durchschnitt auf 100 Kilometern.

Und schon wittert die DUH eine neue Einnahmequelle. RND zitiert den DUH-Geschäftsführer Jürgen Rech mit der Forderung, den Autoherstellern müssten nach dem Vorbild der USA auch hierzulande empfindliche Strafzahlungen aufgebrummt werden, wenn sie völlig unrealistische Verbrauchswerte veröffentlichten. Selbst der BUND reagiert da besonnener, wenn er verlangt, die von der EU ermittelten Werte müssten als Grundlage zur Berechnung der Kfz-Steuer herangezogen werden.

Die Zahlen werden zeigen: Mit Verfahren wie dem WLTP liegen wir dicht an der Realität, wenn der jeweilige Gasfuß das zulässt. Mit der Sonderregel für Plug-in-Fahrzeuge hat die Politik zwar den Herstellern beim Erreichen der Ziele für die Flottenwerte von Kohlendioxidemission geholfen, sich selbst aber ebenso hinters Licht geführt wie den Plug-in-Käufer. Denn mit der Kaufprämie für die Teilelektrischen hat er ausgerechnet die beruflich auf die Langstrecke verdammten Fahrer in die Plug-in-Modelle gelockt. Es sieht aus, als werden die EU-Werte denen Argumente an die Hand geben, die Plug-in-Privilegien abschaffen wollen.

Das ist die Story: Nicht das Aufkochen einer alten, nie ganz sauber angerührten Melange aus populistischen Vorwürfen an die Hersteller, ohne die rechtlichen Rahmenbedingungen auch nur zu erwähnen. Haben wir wirklich die Zeit, solche Extratouren zu gehen? (Peter Schwerdtmann, cen)


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Als Teil der WLTP-Zertifizierung muss die Einhaltung der Grenzwerte in einem so genannten RDE-Straßentest (Real Driving Emissions) nachgewiesen werden. Hierfür werden die Entwicklungsfahrzeuge mit portabler Emissionsmesstechnik (PEMS = Portable Emission Measurement System) ausgestattet. Die Messkoffer sitzen auf der Anhängekupplung oder finden im Kofferraum Platz.

Als Teil der WLTP-Zertifizierung muss die Einhaltung der Grenzwerte in einem so genannten RDE-Straßentest (Real Driving Emissions) nachgewiesen werden. Hierfür werden die Entwicklungsfahrzeuge mit portabler Emissionsmesstechnik (PEMS = Portable Emission Measurement System) ausgestattet. Die Messkoffer sitzen auf der Anhängekupplung oder finden im Kofferraum Platz.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler


Schadstoff- und Verbrauchsmessung bei Volkswagen.

Schadstoff- und Verbrauchsmessung bei Volkswagen.

Foto: Auto-Medienportal.Net


Schadstoff- und Verbrauchsmessung bei Volkswagen.

Schadstoff- und Verbrauchsmessung bei Volkswagen.

Foto: Auto-Medienportal.Net