Kommentar: Technischer Fortschritt muss Zukunft haben

Trotz des Shitstorms, der zurzeit über Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und dessen Partei niedergeht, bleibt festzuhalten: Der Mann hat sich zusammen mit den bundesdeutschen Liberalen zwar innerhalb der EU in Brüssel unbeliebt, gleichzeitig aber für den technischen Fortschritt hier zu Lande verdient gemacht.

Die geradezu religiös vorangetriebene Verherrlichung des batterieelektrischen Antriebs für Pkws und der in der Folge entstandene Wunsch nach dessen Alleinstellung für die Mobilität der Zukunft wäre Gift für die Kreativität von Forschern, Ingenieuren und Technikern gewesen.

Bisweilen erinnerte das geforderte Todesurteil für den Verbrenner an das – fälschlicherweise – dem Beauftragten des US-Patentamtes Charles H. Duell untergeschobene Zitat, der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert seine Behörde als überflüssig bezeichnet haben soll. Er habe nämlich angeblich geäußert: „Alles, was erfunden werden kann, wurde bereits erfunden.“

Sie zeigt zudem aber auch, was droht, wenn sich Politiker in Dinge einmischen, von denen sie nichts verstehen. Beispiele aus der Vergangenheit dafür gibt es genügend.

So führte vor über 40 Jahren die Subventionspolitik der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu einer Überproduktion von Milch und Butter, was die Begriffen „Milchsee“ und „Butterberg“ prägte. 1984 trat die EG auf die Notbremse und führte die Quotenregelung ein, um das Überangebot an Milch und Milchprodukten einzudämmen und den Marktpreis zu stabilisieren.

Ein anderes Exempel für einen drastischen Politiker-Irrtum gefällig? Ältere Leser können sich vielleicht noch an die Euphorie erinnern, die Ende der 1950 und zu Beginn der 1960er Jahre in Bezug auf damals beginnende friedliche Nutzung er Kernenergie begleitete. Nicht nur der Bund Naturschutz Bayern hatte damals die Atomkraft ausdrücklich begrüßt, weil er hoffte, dass damit der Ausbau der Wasserkraft mit ihren für den Naturschutz problematischen Folgen überflüssig würde. Und im sogenannten „Godesberger Programm“ der SPD von 1959 steht zu lesen, dass Atomkraft das Leben „der Menschen erleichtern, sie von Sorgen befreien und Wohlstand für alle schaffen“ könne, Nicht erst die Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima setzte dem ein Ende.

Und wenn sich eines Tages die Batterie als ähnlicher Irrweg für die individuelle Mobilität erweist? Dann kommt es erneut auf den Erfindungsreichtum von Forschung und Entwicklung an. Ihm hat Wissing eine Tür in Richtung Zukunft offen gehalten. (cen/hrr)


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Hans-Robert Richarz.

Hans-Robert Richarz.

Foto: Autoren-Union Mobilität