Unterwegs mit dem Mercedes EQS 580 4-Matic bei den Wikingern

Es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben, hieß es einst in der Werbung für einen Glimmstängel namens Atika. An die Marke erinnert sich heute kaum noch jemand, der Slogan aber hat als gängige Redensart in der deutschen Sprache für etwas besonders Teures, Luxuriöses und Ausgefallenes Eingang gefunden – wie zum Beispiel für das Flaggschiff unter den Personenwagen von Mercedes-Benz, den EQS 580 4-Matic. Das Fahrzeug kam im Herbst 2021 als erste vollelektrische Limousine der Stuttgarter auf den Markt, und Vorstandsvorsitzender Ola Källenius erklärte damals: „Der EQS wurde entwickelt, um selbst die Erwartungen unserer anspruchsvollsten Kunden zu übertreffen.“

Die bestehen im Wohlgefühl, das Fahrerin oder Fahrer und sämtliche Mitreisende in jeder Hinsicht empfinden sollen. Sei es zum Beispiel beim Blick auf das Design, beim Eindruck der Technik oder der Empfindung komfortabelster Fortbewegung. Kompromisse in dieser Hinsicht wären bei dem hochgesteckten Ziel fehl am Platz.

Da liegt es nahe, für die Ausfahrt ein Ziel zu wählen, in dem angeblich das Wohlbefinden zuhause ist und das dafür sogar einen eigenen Begriff aus der norwegischen Sprache für sich reklamiert hat. „Hygge“ nennen die Dänen den Kernbestandteil ihrer Tradition und Lebensweise. Darunter verstehen sie eine Atmosphäre, die das Gute und Angenehme des Lebens in jeder Hinsicht widerspiegelt. Also: auf nach Dänemark.

Doch zunächst gilt der Blick dem Design des Wagens, schließlich entscheidet das Auge – so wie im richtigen Leben – auf Anhieb über Sympathie oder Skepsis. Der EQS befindet sich in dieser Hinsicht auf der sicheren Seite. Seine Karosserie unterscheidet sich deutlich von seinen Markenbrüdern und -schwestern mit traditionellem Antrieb. Formgestalter nennen so etwas „Purpose-Design“ und verstehen darunter, dass das, was anders funktioniert, auch anders aussehen muss.

Die Mercedes-Designer gehen noch einen Schritt weiter und sprechen beim EQS von „One-Bow-Linienführung und Cab-Forward-Design mit Fließheck“. Zu Deutsch: Die bogenförmige Silhouette sieht nicht nur attraktiv aus, sie verspricht ganz nebenbei eine rekordverdächtige Aerodynamik. Und die weit vorne befindliche Frontscheibe kommt zusammen mit dem langen Radstand dem großzügigen Platz im Innenraum zugute und sorgt daneben für ein optimales Fahrverhalten. Großzügig modellierte Flächen, reduzierte Fugen und nahtlose Übergänge vermitteln zudem den Eindruck selbstverständlichen Komforts.

Wer sich als Neuling mit dem Fahrzeugschlüssel in der Tasche dem Wagen nähert, wird zunächst von dessen Begrüßung überrascht sein – falls das Fahrzeug über die zusätzlich bestellbare Sonderausstattung „Premium-Plus-Paket“ verfügt. Die im Ruhestand bündig mit den Türen verborgenen Griffe fahren dann bei Annäherung automatisch heraus, außerdem entriegelt sich das Auto und öffnet selbstständig die Fahrertür. Fahrerin oder Fahrer bietet sich außerdem die Möglichkeit, die hinteren Türen ferngesteuert wie von einem Chauffeur zu öffnen, um Passagiere in den Fond zu lassen.

Der Innenraum spricht vier Sinne an

Auch im Innenraum feiert der Luxus Triumphe. Das gilt für den riesigen Bildschirm auf der Instrumententafel, der von der linken bis zur rechten A-Säule reicht, die Menschen auf Fahrer- und Beifahrersitz mit allen notwendigen Informationen versorgt und für die Bedienung beispielsweise von Navigation und Unterhaltungsmedien zuständig ist. Von unseren fünf Sinnen soll laut Mercedes der Innenraum des Wagens die vier Sehen, Hören, Riechen und Fühlen ansprechen, lediglich für den Geschmackssinn ist den Konstrukteuren noch nichts eingefallen.

Die Augen können sich an avantgardistischen oder traditionellen Materialien und Farben erfreuen. Die Ohren haben die Wahl zwischen elektrotypischer Ruhe und optionalen Fahrgeräuschen, die über die Lautsprecher eingespielt werden. Die Nase atmet gereinigte Luft von außen ein, die auf Wunsch einen von Mercedes eigens komponierten Duft enthält, der laut Beschreibung an die „grünen Note einer Feige, die auf einem Stück Leinen liegt“ erinnert. Der Tastsinn schließlich spürt zum Beispiel auf der glatten Oberfläche des Touchscreens bei der Berührung bestimmter Stellen den Eindruck mechanischer Schalter. Zudem gibt es viel Angenehmes auf fließende Lederflächen oder offenporigem Echtholz zu erfühlen. Und wem das alles noch nicht reicht, der kann sich Rücken und Hinterteil wärmen oder kühlen und sich mit bis zu zehn verschiedenen Massageprogrammen behandeln lassen.

Dass mit einem solchen Auto auch die Fahrfreude nicht zu kurz kommt, liegt auf der Hand. Der EQS 580 beschleunigt trotz seines hohen Gewichts wie ein Sportwagen, Luftfederung und langer Radstand garantieren ermüdungsfreie Fahrt auf Kurz- ebenso wie auf Langstrecken. Mit Hilfe der Lenkung der hinteren Räder ist ein Wendekreis möglich, der selbst weit kürzere Mittelklasseautos vor Neid erblassen lässt. Die Allradlenkung kommt zudem der Stabilität bei plötzlichen Ausweichmanövern spürbar zugute, was ihn laut ADAC-Test so handlich wie einen Kompaktwagen macht.

Große Reichweite dank sparsamem Verbrauch

Wichtig für unsere Reise in den hohen Norden erschien uns die Reichweite des batterieelektrisch mit Energie versorgten Autos. Gibt es doch auf dem Feld dieser Fahrzeuggattung viel Spreu und wenig Weizen. Zwar gehen auch bei dem Mercedes die WLTP-Angaben wie bei fast allen Elektroautos an der Wahrheit vorbei. Mit dem, vom ADAC gemessenen realistischen Wert von 530 Kilometern verdient das Auto jedoch hohes Lob. Verantwortlich dafür ist der Verbrauch von 23,3 kWh auf 100 Kilometer, was der Automobilklub mit der Bemerkung „angesichts der Fahrleistungen auf Sportwagen-Niveau und einem Gewicht von gemessenen 2632 Kilo bemerkenswert wenig“ quittierte.

So mussten wir bei der Hinfahrt auf der ersten Etappe unserer Reise von Köln nach Skagen im dänischen Nordjütland erst kurz hinter Hamburg vor einem nächtlichen Stopp in Kiel das erste Mal eine Ladesäule ansteuern und auch am nächsten Tag erst, als wir uns schon lange in Dänemark befanden. Dabei fielen diese Pausen erfreulich kurz aus. An einer Schnellladesäule dauert es wenig mehr als eine halbe Stunde bis die Kapazität der Batterie von zehn auf 80 Prozent gestiegen ist, wobei die Ladeleistung bisweilen den von Daimler angegebenen Maximalwert von 200 kW sogar um einige kW übertraf.

Da in Dänemark das Netz der Stromtankstellen keine Ängste aufkommen lässt, konnten wir uns ungestört dem Land, der Landschaft und der Schönheit der Küste an der Ostsee widmen. Von unserem Quartier in Sæby in der Nähe von Frederikshavn mit seinen trotz Hauptsaison endlos langen Stränden der Ostsee aus war es nicht weit bis Skagen, der Hafenstadt am nördlichen Ende der Halbinsel Jütland. Hier treffen am nördlichsten Punkt namens Grenen Skagerrak (Nordsee) und Kattegat (Ostsee) zusammen, wobei sich die Wellen aus verschiedenen Richtungen von links und rechts kommend an einem Riff brechen.

Ausgrabungen in Skagen legten vor vier Jahren eine alte Wikingersiedlung frei. Bei Bauarbeiten für ein neues Schwimmbad nahe der Ortschaft stießen die Bauarbeiter auf die Überreste einer Art Ferienhaussiedlung, die aus der Zeit um das Jahr 900 stammen.

Frygge statt hygge

Experten des historischen Museums in Kopenhagen untersuchten die Fundstätte näher und kamen zu dem Schluss: „Die Fundamente zeigen ganz deutlich die Strukturen von damaligen Ferienhäusern mit einem großen Gemeinschaftsraum und Platz für bis zu zehn Personen. Offensichtlich haben die Wikinger sich in diesen etwas einfachen, doch komfortablen Hütten von ihren Beutezügen erholt”, so Archäologe Søren Jensen.

Zum Glück haben sich die Wikinger ihre räuberische und brandschatzende Art inzwischen abgewöhnt. Runeninschriften an der Fundstelle deuten aber darauf hin, dass bereits die damaligen Dänen die berühmte dänische „hygge“ auf ihre Weise kannten und lebten. Sie nannten sie jedoch „frygge“, um ihrer Göttin Freya zu huldigen. Sie war die nordische Göttin der Liebe und der Fruchtbarkeit.

Angst und Schrecken verbreiten die Nachfahren der Wikinger nicht mehr, höchstens mit Ihren Preisen bei den Touristen. Ferienhäuser sind nicht ganz billig, Hotelzimmer erst recht nicht, und ein Glas Bier für acht und ein Glas Wein für zehn Euro gelten als preiswert.

Dennoch ist Dänemark immer eine Reise wert, nur das Wetter lässt ab und an zu wünschen übrig. Neben Finnland und Island zählt Dänemark zu den drei glücklichsten Ländern der Welt und gilt eines der beliebtesten Reiseziele in Skandinavien, wo Kultur, Natur und zahlreiche Sehenswürdigkeiten locken. Die Kombination aus Geschichte, Tradition und Moderne ist vielerorts spür- und erlebbar. Und nicht zu vergessen: Hygge, das Wohlbefinden, wird in Dänemark jeden Tag zelebriert.

Mit künstlicher Intelligenz ans Ziel

Diesen Zustand konnten wir aber auch auf der rund 1000 Kilometer langen Rückreise mit Übernachtungspause in Kiel erneut im EQS dank der Vielzahl eingebauter Fahrerassistenten genießen. Dazu gehört etwa ein Müdigkeitswarner, ein vorausschauendes Fußgänger-Notbremssystem oder ein Abstandsregeltempomat, um nur einige von insgesamt über 20 Helfer zu erwähnen. Bei der Navigation mit Electric Intelligence ist der Name Programm. Sie plant auf Basis zahlreicher Faktoren die schnellste und komfortabelste Route inklusive Ladestopps und reagiert dynamisch beispielsweise auf Staus oder eine Änderung der Fahrweise. Künstliche Intelligenz erfasst zudem je nach Ausstattung Entfernungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigung, Lichtverhältnisse, Niederschlag und Temperaturen ebenso wie die Belegung von Sitzplätzen oder die Sprache der Passagiere um daraus Schlüsse für zahlreiche Steuergeräte zu treffen. Zurzeit findet das Auto zwar schon heute seinen Weg dank Spurassistent wie von selbst. Nehmen Fahrerin oder Fahrer allerdings die Hände vom Lenkrad, schlägt es Alarm.

Und sogar für Routiniers hält der Mercedes EQS 580 immer noch Überraschungen parat. Bei Stau auf der Autobahn zum Beispiel mahnt er eindringlich, eine Rettungsgasse frei zu halten, und verlässt der Mensch am Steuer den Wagen, so fordert ihn eine angenehme weibliche Stimme dazu auf, gefälligst sein Handy mitzunehmen.

Am Ende der Reise mussten wir uns von dem Auto trennen. Mercedes wollte ihn wieder zurück haben. Verständlich. (cen/hrr)

Daten Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic

Länge x Breite x Höhe (m): 5,22 x 1,93 x 1,51
Radstand (m): 3,21
Antrieb: 2 Elektromotoren, AWD, Automatik
Leistung: 385 kW / 524 PS
Max. Drehmoment: 585 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,3 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 17,6–19,6 kWh
WLTP-Reichweite: 676 km
Testverbrauch: 18 kWh/100 km
Leergewicht / Zuladung: 2585 / max. 550 kg
Kofferraumvolumen: 610–1770 Liter
Max. Anhängelast: 750 kg
Wendekreis m. Hinterachslenkung (m): 10,9
Basispreis: 141.705 Euro
Testwagenpreis: 170.866 Euro


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Bilder zum Artikel

Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hans-Robert Richarz


Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic an einer Schnellladesäule.

Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic an einer Schnellladesäule.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hans-Robert Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hans-Robert Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hans-Robert Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hans-Robert Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hans-Robert Richarz


Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Mit dem Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic unterwegs in Dänemark.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hans-Robert Richarz


Bitte einsteigen: Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic.

Bitte einsteigen: Mercedes-Benz EQS 580 4-Matic.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Hans-Robert Richarz