Klimaneutrale Verbrenner: Nicht nur Porsche setzt auf e-Fuel

Nahezu alle neuen Serienautos und Prototypen, die auf der IAA in München zu sehen sind, haben eine Batterie als Antriebsquelle. Benziner und Diesel spielen fast keine Rolle. Doch dem Elektrohype zum Trotz – die Automobilindustrie will den Verbrennungsmotor nicht ganz aufgeben – wenn er klimaneutral betrieben werden kann.

So lässt sich Porsche eine Hintertür offen, auch nach 2035 weiter Sportwagen mit Verbrennungsmotor zu verkaufen, „wenn unsere Kunden dies wünschen“, sagt Barbara Frenkel, Einkaufsvorständin von Porsche und für das e-Fuel-Projekt des Herstellers in Chile verantwortlich. Dort stellt der Sportwagenhersteller gemeinsam mit HIF Global und MAN Energy Solutions aus Windenergie einen klimaneutralen Kraftstoff her, der die Atmosphäre nicht mit klimaschädlichem CO2 belastet. „Wir bekennen uns ganz klar zur Elektromobilität“, betont Barbara Frenkel aber auch. Schon 2030 sollen 80 Prozent der neuen SUV und Sportwagen von Porsche batterieelektrisch angetrieben sein. „Aber die vielen Verbrenner werden nicht über Nacht von den Straßen verschwinden.“ Auch für den Fahrzeugbestand müsse es eine Lösung geben.

Technisch wäre es sogar möglich, auch nach 2035 Neuwagen so zu bauen, dass sie nur mit e-Fuel betrieben werden können. Die EU-Kommission arbeitet dazu gerade ein Regelwerk aus. Ob Porsche diese Regel dann nutzt, steht aber noch nicht fest.

Klimaneutrale Kraftstoffe werden aus Wind- oder Sonnenenergie hergestellt. Zunächst wird per Elektrolyse Wasserstoff produziert, der dann mit CO2 aus der Luft zu einem synthetischem Benzin wird. Bei der Verbrennung wird nur soviel CO2 frei, wie zuvor der Luft entzogen wurde. Das Verfahren ist seit 80 Jahren bekannt.

Begeistert ist man in Brüssel von der Idee nicht: Vor allem der ehemalige Klimakommissar Frans Timmermanns hätte jegliche Verbrenner ab 2035 lieber ganz verboten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing konnte sich aber mit der Forderung durchsetzen, Benzin- und Dieselmotoren dann weiter zuzulassen, wenn sie klimaneutral betrieben werden können.

Kritiker monieren, ein e-Fuel-Auto bräuchte viermal so viel erneuerbare Energie wie ein Elektroauto. Ein Argument, das Clara Bowman nicht gelten lässt. Sie ist für das operative Geschäft des e-Fuel-Herstellers HIF Global zuständig: „In Chile kostet Strom aus Windkraft 20 Dollar pro Megawattstunde.“ Denn die Anlage von HIF Global steht in einer Gegend, wo „viele tausend Stunden im Jahr ein kontinuierlicher Wind weht“. Bei einem Strompreis von zwei Cent pro Kilowattstunde spiele die Effizienz keine große Rolle mehr. Und der Strom könne aus Chile ohnehin nicht nach Europa transportiert werden, um hier Elektroautos zu laden.

In Texas plant HIF Global ein weiteres Werk, das 400.000 Autos mit e-Fuel versorgen kann. Darüber hinaus ist es sogar möglich, mit solchen Anlagen mehr CO2 aus der Luft zu holen, als zur Produktion des synthetischen Kraftstoffs verwendet wird. „Wir wollen ein industrielles Direct-Air-Capture-Verfahren, kurz DAC, zur Serienreife bringen“, sagt Porsche-Vorständin Frenkel. DAC fängt das CO2 aus Luft und verbindet es mit dem Wasserstoff aus der Elektrolyse zu dann klimaneutralem Kraftstoff.

Auch der Zulieferer ZF Friedrichshafen mag den Verbrenner nicht ganz abschreiben – wenn er das Klima nicht belastet: „Wir entwickeln keine Komponenten mehr für nicht elektrische Antriebe“, sagt Konzernchef Holger Klein. Dennoch warnt er davor, sich ganz auf die Batterie zu fokussieren. „Das ist ein rein europäisches Phänomen. In Nordamerika und China gibt es noch kein Enddatum für den Verbrenner.“

Deshalb rechnet ZF auch damit, sein bewährtes Achtgang-Getriebe für Verbrenner und Hybrid, die einen Benzinmotor mit einem Elektroantrieb kombinieren, noch viele Jahre weiterbauen zu können. Gleichzeitig profitiert das Unternehmen wie kein andere Zulieferer vom Elektroboom: 30 Milliarden Euro an Aufträgen hat das Unternehmen bereits für seine Elektroantriebe von Autoherstellern in aller Welt erhalten. Weitere dürften folgen, wie für einen neuen, sparsamen Elektromotor, der ganz auf Seltene Erden verzichtet. Die Metalle werden für Magneten gebraucht und oft unter menschenunwürdigen, umweltbelastenden Bedingungen gefördert.

„Im Pkw ist der batterieelektische Antrieb für die Zukunft gesetzt“, sagt Klein. Bei schweren Lkw auf langen Strecken sei ZF aber technologieoffener aufgestellt: „Hier könnte Wasserstoff, aus erneuerbarer Energie hergestellt, eine Rolle spielen – ob in der Brennstoffzelle oder im Verbrenner.“ Auch Stephan von Schuckmann, bei ZF für die Elektroantriebe zuständig, warnt davor, e-Fuels politisch abzulehnen: „Sie können beim Fahrzeugbestand Sinn machen, oder bei teuren Sportwagen.“ Zudem geben es eine soziale Verantwortung, dass Mobilität bezahlbar bleibt. Nicht jeder könne sich ein neues Elektroauto leisten.

Wie leicht sich synthetische Kraftstoffe in alten Motoren einsetzen lassen, hatte kürzlich der Automobilclub ACV an vier Oldtimern verschiedener Epochen ausprobiert – mit Erfolg. ACV-Geschäftsführer Holger Küster: „Selbst über 100 Jahre alte Fahrzeuge lassen sich mit e-Fuels betreiben. Um eine Dekarbonisierung des Autoverkehrs zu erreichen, benötigen wir alle verfügbaren Technologien.“ Die Politik dürfe den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen nicht von vornherein ausschließen.

Bei dem Test kam der Kraftstoff von der Firma P1 Fuels in Berlin. Wie die Politik dem Einsatz weiter Hindernisse in den Weg legt, berichtete Benjamin Cuyt, Vertriebschef von P1Fuels auf einer Podiumsdiskussion. Noch fällt für den klimaneutralen Kraftstoff die gleiche Steuersatz an – 65,45 Cent pro Liter – wie für Sprit aus Erdöl. (cen/gr)


Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.


Bilder zum Artikel

Porsche und auch Toyota erproben e-Fuels bereits im Motorsport.

Porsche und auch Toyota erproben e-Fuels bereits im Motorsport.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Porsche


Unter dem Slogan „e-Fuels for Future“ testen Uniti, ADAC und ZDK einen VW Golf, der mit CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffen fährt.

Unter dem Slogan „e-Fuels for Future“ testen Uniti, ADAC und ZDK einen VW Golf, der mit CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffen fährt.

Foto: Autoren-Union Mobilität/FabuCar


Anlage für e-Fuels in Patagonien.

Anlage für e-Fuels in Patagonien.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Porsche


Das Prinzip der Herstellung von e-Fuels.

Das Prinzip der Herstellung von e-Fuels.

Foto: Autoren-Union Mobilität/mobil.org