Praxistest Harley-Davidson Breakout: Schöne Ausbrecherin

10. September 2023 Von Jens Riedel, cen

Die rund 370 Kilometer von der Pressewerkstatt ins Redaktionsbüro hatten wir ohne Tankstopp bislang noch mit keiner Harley-Davidson geschafft – mit der Breakout war das nun erstmals anders. Zum zehnjährigen Bestehen spendierte die Marke der Maschine für das Modelljahr 2023 einen üppigen 18,9-Liter-Tank, der der Ausbrecherin auch optisch sehr gut steht. Bislang mussten Fahrer des mächtigen Cruisers mit 13,2 Litern auskommen. Zudem ersetzt der 117-Kubikzoll-Motor den bisherigen Milwaukee-Eight 114, was unter anderem zu zehn PS mehr Leistung und 13 Newtonmeter mehr Drehmoment führt.

Die Breakout ist nicht unbedingt eines der ersten Modelle, die einem beim Namen Harley-Davidson einfallen. Das mittlerweile eine Jahrzehnt Bauzeit sprechen jedoch für sie. In Deutschland landet die Ausbrecherin zudem regelmäßig in den Top Five der beliebtesten Bikes der Marke, die an Modellvielfalt ja nicht gerade arm ist.

Nicht nur wegen der auffälligen Lackierung in Baja Orange (plus 540 Euro) zieht die Breakout die Blicke auf sich. Die immerhin 2,37 Meter lange Fuhre läuft vorne über ein 21-Zoll-Gussrad mit neuerdings 26 Speichen, während hinten eine dicke 240/40-Walze im 18-Zollformat über den Asphalt rollt. Dazu kommt der nur leicht gebogene Lenker, der von einem zum anderen Ende stolze 85 Zentimeter misst. Und nein, der frech auf der rechten Seite hervorstehende und sich dem Fahrtwind entgegenstreckende Luftfilter ist kein Extra aus dem Performancezubehör, sondern gehört zur Serienbestückung. Der Rest des verchromten Motors ist mit polierten Zylindern und dicken verchromten Stösselstangen Schwermetall vom Schönsten und Feinsten. Und die Kühlrippen knistern nach der Ausritt noch herrlich und lange nach. Viele weitere Bauteile wie Schalldämpfer, Seitendeckel, Blinker und Rückspiegel sind nun ebenfalls verchromt (vorher schwarz) und unterstreichen noch einmal den Eyecatcher-Charakter.

Mit dem markentypischen Donnergrollen läuft der mächtige 1,92-Liter-V2 ab 1700 Umdrehungen in der Minute rund und macht ab 2200 Touren ordentlich Dampf, wobei es oberhalb von 3500 U/min noch einmal einen Expresszuschlag gibt. Angesichts des üppigen Drehmoments von fast 170 Newtonmetern ist der Steißbeinstopper im Übergang zum Soziussitz dennoch eine willkommene Stütze, auch wenn die 190 km/h Spitzentempo hinter der Segelstange eher selten anliegen dürften.

Die Vorderradbremse ist wie bei vielen Modellen aus Milwaukee ohne klaren Druckpunkt, dafür begeistert die Hinterradbremse mit feinerem Ansprechverhalten und klaren Ansagen umso mehr. Der lange Radstand und der breite Hinterreifen drängen die Breakout in Kurven häufig einen Hauch nach außen, so dass hin und wieder dezente Lenkeingriffe nötig sind. Den angegebenen Normverbrauch von 5,6 Litern je 100 Kilometer haben wir übrigens mühelos um bis zu einen Liter unterboten.

Der Wipp-Druck-Schalter des serienmäßigen Tempomats ist etwas tricky und verlangt ein wenig Feingefühl, ansonsten kann es passieren, dass beim Deaktivieren (horizontal drücken) versehentlich „+“ beziehungsweise „RES“ (vertikales schieben nach oben) erwischt wird. Warum Harley bei der Breakout noch an links und rechts separat montierten Blinkerschaltern festhält, bleibt ein Geheimnis, aber immerhin schalten sich die Fahrtrichtungsanzeiger selbsttätig wieder ab. Das Miniaturdisplay in der Lenkerklemme hingegen passt irgendwie hervorragend zum Charakter der Breakout. Die Kontrollleuchten finden sich darunter in einem noch kleineren separaten Mäusekino.

Ihr Auftritt macht es ohnehin von vornherein deutlich: Die Breakout ist kein Kurvenräuber und will es auch nicht sein. Länge läuft nun einmal vor allem gerne geradeaus. Eigentlich will sie nur zwei Dinge: Gleichermaßen entspannt wie druckvoll mit ihrem Fahrer über die Landstraßen gleiten und an der Tankstelle oder vor der Eisdiele bewundert werden. Beides macht ihren Besitzer glücklich. Da mag man dem alten Tank beinahe schon ein wenig nachtrauern. (cen/jri)

Daten Harley-Davidson Breakout

Antrieb: V2, 1923 ccm, flüssigkeitsgekühlt, Riemen, 6 Gänge
Leistung: 77 kW / 105 PS bei 5020 U/min
Max. Drehmoment: 168 Nm bei 3000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: k.A.
Tankinhalt: 18,9 Liter
Sitzhöhe: 665 mm
Gewicht: 310 kg (fahrfertig)
Normverbrauch: 5,6 l/100 km
CO2-Emissionen: 135 g/km
Testverbrauch: 4,6–4,9 Liter
Bereifung: 130/60 R21 (v.), 240/40 R18 (h.)
Preis: 28.195 Euro

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