Mercedes-Benz e-Actros 600: Ein neues Gesicht im Fernverkehr

Tragen die beiden Verteilervarianten e-Actros 300 und e-Actros 400 noch die Kabine ihrer Dieselverwandtschaft, so gibt Daimler Truck seinem neuen Elektro-Flaggschiff ein eigenständiges Gesicht: Der Mercedes-Benz e-Actros 600 ist für den Fernverkehr konzipiert, das Fahrerhaus daher zur Erhöhung der Reichweite aerodynamisch optimiert. Der so genannter Airchannel zwischen Aufbau und Chassis führt die Luft beispielsweise um die Front des e-Actros herum.

Auffällig ist die weitgehend glattflächige Front mit dem großen Stern in der Mitte und dem offenen Kühllufteinlass knapp oberhalb des Stoßfängers. Zudem fallen die vom Tagfahrlichtband umrahmten Hauptscheinwerfer relativ klein aus. Die Blinker wanderten seitlich an die Trittstufen. Das Markenzeichen beherbergt übrigens auch die unteren Handgriffe zum Erreichen der Frontscheibe. Selbst nicht ganz glücklich sind die Designer hingegen mit der am Präsentationsfahrzeug gezeigten äußeren Sonnenblende – sie ist schlicht und einfach ein vielfach geäußerter Kundenwunsch.

Die nackten Fakten der neuen Lkw-Schönheit: Der Motor der 4x2-Sattelzugmaschine leistet dauerhaft 400 kW (544 PS) und erreicht in der Spitze 600 kW (816 PS). Als Reichweite gibt Mercedes rund 500 Kilometer an und hat diese Leistung erst kürzlich bei einer Fernfahrt mit einem Prototyp von Stuttgart über den Albaufstieg nach Tirol unter Beweis gestellt. Der 40-Tonner legte 530 Kilometer ohne und 1000 Kilometer mit einem Ladestopp zurück. Natürlich spielen das Gewicht der Ladung, die Topographie und die Temperaturen eine Rolle. Die Mercedes-Ingenieure gehen aber davon aus, dass die Normreichweite auch unter ungünstigen Alltagsbedingungen nur im Bereich von zehn bis 15 Prozent unterschritten wird.

Die drei zwischen den beiden Achsen platzierten Batteriepacks wiegen jeweils anderthalb Tonnen und haben eine Bruttokapazität von 621 Kilowatt. Dank der Lithium-Eisenphosphat-Zelltechnologie (LFP) liegt die Nettoausbeute laut Chefentwickler Michael Wolf bei rund 95 Prozent, während der Branchendurchschnitt etwa 85 Prozent betrage. So sei es auch problemlos möglich, die Batterien auf 100 Prozent aufzuladen. Er empfehle das sogar, wenn der Lkw über Nacht an den Stecker kommt. Gleichwohl drückte sich Daimler Truck bei der heutigen Präsentation in der niedersächsischen Nordheide auf einem der derzeit modernsten Autohöfe Europas vor Angaben zur Ladezeit von leer bis voll zu machen. Von 20 bis 80 Prozent, die fast überall als Standardmaßstab gelten, soll knapp eine Stunde vergehen. Mit dem noch nicht verfügbaren Megawattcharging soll es dann doppelt so schnell gehen. Der entsprechende MCS-Anschluss am Fahrzeug kann aber schon mitbestellt und vorinstalliert werden.

Auch Karin Radström, Geschäftsführerin von Mercedes-Benz Truck, weiß natürlich um die Lücken in der Ladeinfrastruktur. Erhebungen hätten aber gezeigt, dass 60 Prozent der potenziellen Kunden auf ihren Fernverkehrsrouten unter 500 Kilometer bleiben. Und auch das Ladungsgewicht betrage im Schnitt weniger als 22 Tonnen, für die der e-Actros 600 mit Standardauflieger ausgelegt ist. Neben dem Aufbau eines europaweiten Netzes von 1700 Ladestationen im Joint Venture mit Volvo Trucks und Traton sei es ohnehin sinnvoll, Lademöglichkeiten auf den Bertriebshöfen selbst zu schaffen. Hier stehe Daimler Truck sowohl beratend als auch mit speziellen Finanzdiensleistungen für den e-Actros den Kunden zur Seite. Der höhere Anschaffungspreis werde sich für viele Anwender durch die gegenüber einem Diesel niedrigeren Unterhaltskosten wieder aufheben, ist sich Radström sicher. Wobei der Kaufpreis gut doppelt so hoch ist wie für einen Diesel Lkw. Antrieb und Batterie sind laut Daimler auf eine Nutzungsdauer von zehn Jahren und 1,2 Millionen Kilometern ausgelegt.

Bei der Entwicklung des e-Actros 600 hat Mercedes-Benz auf die Erfahrungen mit den bereits erhältlichen Verteilervarianten und den e-Econic zurückgreifen können. Bestellbar ist er noch vor Ablauf des Jahres. Die ersten Fahrzeuge werden zunächst an ausgewählte Kunden ausgeliefert. Es sollen aber bereits Vorverträge mit mehreren tausend Kunden vorliegen, so dass die Produktion im Werk Wörth bis Ende 2024 weiter hochgefahren wird.

Das Thema Brennstoffzelle hat sich übrigens mit dem e-Actros 600 nicht erledigt, verkündete die Lkw-Chefin. Mercedes werde beide Antriebskonzepte verfolgen und dokumentierte dies auch im vergangenen Monat mit einem straßenzugelassenen Prototyp des Versuchsträgers Mercedes-Benz Gen2H. Er legte mit einer Tankfüllung über 1000 Kilometer zurück. Radström verwies aber auch darauf, dass es grüner Wasserstoff sein müsse, wenn die Dekarbonisierung gelingen soll.

Auf die Frage eines Journalisten, was denn passiere, wenn ein Trucker die Batterie unterwegs leer fahre, antwortete e-Actros-Projektleiter Tilman Morlock scherzhaft, dann könne er den Auflieger abkoppeln und gewinne so wieder ein paar Kilometer. (cen/jri)


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