Die Auto-Agenten – ohne Lizenz zum Feilschen

Agent – das klingt nach Abenteuer und Risiko. Im Autohandel ist es jedoch das genaue Gegenteil: Viele Autohersteller machen derzeit aus ihren Händlern „Agenten“. Die laufen jedoch nicht mit Pistole unter dem Dinner-Jacket herum, sondern mit Smartphone und Visitenkarte. Mit dem Agenturmodel wollen Autohersteller wie Mercedes, BMW, VW, Skoda und Opel den Rabattschlachten zwischen ihren Handelspartnern ein Ende setzen. Die Lizenz zum Handeln hat der Agent verloren. Er ist nur noch Vertreter der Marke. Der Kunde muss den Preis akzeptieren, wie er ist. Feilschen ist nicht mehr.

Beim 24. Branchengipfel im Institut für Automobilwirtschaft (IfA) der Hochschule Nürtingen wurde klar: Künftig werden die meisten Neuwagen in Deutschland nicht mehr von freien Autohändlern verkauft, sondern von Agenten. 600 Studenten, Automanager und Händler diskutierten über den Vertrieb der Zukunft. „Wir brauchen eine neue Arbeitsteilung zwischen Hersteller und Handel“, begründet Skoda-Vorstandschef Klaus Zellmer den Schritt zum Agentursystem. Wie auch VW hat Skoda zunächst damit begonnen, sein Elektromodelle im Agenturvertrieb zu verkaufen. Derzeit sind das Enyaq, Enyaq Coupé und ab nächstem Jahr der kleine Elroq. Weitere Modelle werden folgen.

Für den Skoda-Chef ist das Agenturmodell auch eine Antwort auf die neuen Wettbewerber aus China: „Wir müssen als europäischer Autohersteller an den Preisen und den Kosten arbeiten“, so Zellmer, und dazu gehörten auch die Kosten im Vertrieb und beim Handel. Bisher hat Skoda – wie andere Autohersteller auch – seine Fahrzeug mit einem zweistelligen Preisnachlass an seine Händler geliefert. Im Fall von Skoda waren das 18 Prozent. Die Händler verkauften die Fahrzeuge dann auf eigene Rechnung an den Endkunden.

Um ihre Absatzziele einzuhalten und Kunden zu binden, geben Händler oft einen erheblichen Teil ihrer Marge an den Kunden weiter. Auch der Wettbewerb zwischen Autohäusern der gleichen Marke soll durch das Agenturmodell unterbunden werden. Denn dieser Inter-Brand-Wettbewerb hat das Neuwagenverkauf für den Handel oft unattraktiv gemacht. Das meiste Geld verdient er mit Gebrauchtwagen und in der Werkstatt. „Wenn ich Händler wäre“, so Klaus Zellmer“, „ich würde das Agentursystem wollen.“

Der Handel ist dennoch nicht begeistert. Denn eine Agentur bekommt eine Provision, im Fall von Skoda 6,5 Prozent – also deutlich weniger als die 18 Prozent der Vergangenheit. Und er sieht sich seiner unternehmerischen Freiheit beraubt, Preise selbst zu kalkulieren. Denn den Verkaufspreis legt künftig der Hersteller fest.

„Werden Autos im Agenturmodell teurer?“, fragt Professor Stefan Reindl vom IfA-Institut. „Die individuelle Preissetzung für den einzelnen Kunden geht verloren“, sagt Stefan Tuchert, der den deutschen Markt für BMW leitet. „Wir müssen jetzt den optimalen Preis finden. Das funktioniert bei einer Premiummarke besser als im Volumengeschäft.“ Vor allem die Volumenmarken haben sich in der Vergangenheit oft Rabattschlachten geliefert, um Überproduktionen in den Markt zu drücken. So wurden dann aber auch die Werke ausgelastet und Arbeitsplätze gesichert.

„Das Agenturmodell wird für Volumenmarken nicht funktionieren“, meint Markus Siebrecht, Chef von Renault Deutschland. Renault wird deshalb bei seinem Händler-Modell bleiben. Dass übermäßige Rabatte auch anders vermieden werden können, zeigt die Renault-Tochtermarke Dacia. Deren Händler halten sich mit Preisnachlässen eher zurück.

Auch Hyundai will ohne Agenten auskommen. Die 500 Händler der südkoreanisch Marke bleiben freie Unternehmer. Opel hingegen plant langfristig ebenfalls mit Agenten: „In Österreich, den Niederlanden und Belgien haben wir bereits auf das Agenturmodell umgestellt. Das ging überraschend problemlos, auch wenn wir hier und da noch lernen müssen. Wir sind von dem Modell überzeugt“, sagt Opel-Chef Florian Huettl. In Deutschland will Opel 2026 umstellen, wenn die Erfahrungen aus den kleineren Märkten ausgewertet sind. Alle Marken der Opel-Mutter Stellantis werden dann über Agenten verkauft, also auch Peugeot, Citroen, Fiat und Jeep. Das Echo aus dem Handel ist laut Huettl positiv: „Unsere Partner investierten in ihre Standorte, weil sie daran glauben.“

Mit MG nutzt auch einer der neuen Anbieter aus China das Agenturmodell: 130 Agenten hat die Marke in Deutschland. Mittelfristig sollen es 200 bis 250 werden, sagt Jan Oehmicke, Chef von MG für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der chinesische Wettbewerber XPeng Motors startet seinen Verkauf im zweiten Quartal des kommenden Jahres jedoch mit klassischen Händlerverträgen. Einen ganz anderen Weg geht Nio: Die chinesische Premiummarke setzt wie Tesla auf einen reinen Online-Verkauf und betreibt in Deutschland nur wenige Niederlassungen für Service und Probefahrten. Während Aiways verschiedene Vertriebskanäle nutzt und den Service seiner Autos der Werkstattkette ATU überträgt. Bisher ist MG mit seinem Modell am erfolgreichsten: Die 130 Agenten der Marke haben in diesem Jahr schon über 15.000 Autos verkauft. (cen/gr)


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Bilder zum Artikel

Opel-Autohaus.

Opel-Autohaus.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Opel


VW Autohaus mit neuem Markenlogo.

VW Autohaus mit neuem Markenlogo.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen


Verkaufsberater und Kundin im Gespräch über einen Leasingvertrag (Archivbild).

Verkaufsberater und Kundin im Gespräch über einen Leasingvertrag (Archivbild).

Foto: Auto-Medienportal.Net/General Motors