„Die Chinesen hören genau zu und lernen extrem schnell.“

Er ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Autohändler in Deutschland. Burkhard Weller kennt die Branche schon seit fast 50 Jahren. 1979 eröffnete er mit Autoweller sein erstes Autohaus für die Marke Toyota. Mittlerweile betreibt die Wellergruppe 35 Autohäuser, ist mit B&K der größte BNW- und Mini-Händler des Landes, aber auch mit Lexus, Seat und Cupra aktiv – und seit diesem Jahr auch mit der chinesischen Marke MG am Markt. Nach seiner Rückkehr aus China, wo Weller das MG-Werk in Shanghai besucht hat, sprach die Autoren Union Mobilität mit ihm über den Angriff chinesischer Marken auf den deutschen Markt.

Herr Weller, Sie haben neben Marken wie Toyota, BMW und Seat auch eine chinesische Marke ins Programm genommen, nämlich MG. Warum?

Burkhard Weller: Wenn man mich vor fünf Jahren gefragt hätte, ob ich eine chinesische Marke vertreten will, hatte ich gesagt, bleibt mir weg damit. Aber die Hersteller dort haben sich rasend schnell entwickelt. Das gilt natürlich nicht für alle, denn es gibt über 100 chinesische Automarken, aber für die namhaften wie Nio, BYD oder natürlich MG, für die wir uns dann entschieden haben.

Warum MG?

Wir fanden positiv, dass MG eine bekannte Marke ist. Viele kennen diese kleinen Roadster aus ihrer Jugend. Wer so einen hatte, dem flogen natürlich die Mädels zu. Dann haben wir uns die Fahrzeuge, die MG hier verkauft, genau angeschaut und festgestellt: Das kann was werden. Aber was für uns ausschlaggebend war: Andere chinesische Marken machen den Fehler, dass sie oben in den Markt einsteigen, also mit Fahrzeugen für 60-, 70- oder 80.000 Euro.

Sie meinen, in dem Preisbereich wird es schwer gegen BMW, Mercedes und Audi?

Wir haben ja Erfahrung mit Lexus in diesem Preissegment, und selbst die tun sich seit 35 Jahren immer noch schwer. Ich glaube nicht, dass der deutsche Verbraucher empfänglich ist für ein chinesisches Auto oberhalb von 60.000 Euro, auch nicht für ein Elektroauto. Tesla hat ja auch zehn Jahre gebraucht. Da kommt natürlich so ein kostengünstiges Angebot wie das von MG gut an.

Wo liegt deren Preis derzeit?

Mit Förderung kostet so ein MG4 voll elektrisch mit 400 Kilometer Reichweite – und das sind wirklich 400 Kilometer – vier bequemen Sitzen und einem ordentlichen Kofferraum bei 30.000 Euro oder im Leasing bei 199 Euro im Monat. Das ist wirklich ein sehr wettbewerbsfähiger Preis.

Wie schätzen Sie die Qualität der Chinesen ein? Sind die schon auf dem Niveau der Japaner?

Ich war jetzt gerade eine Woche in China und habe mir die Produktion von SAIC angeschaut, wo die MG gebaut werden. Die bauen ja auch Fahrzeuge für VW wie den elektrischen ID 3. Die wissen also, wie es geht. Wir haben da keinen Unterschied gesehen zur Produktion bei Toyota oder BMW, die wir natürlich auch kennen.

Was ist aus Ihrer Sicht der Unterschied zwischen der Offensive der Japaner in den 80er und 90er Jahren und dem, was die Chinesen jetzt planen?

Wir konnten in China auch mit dem Top-Management sprechen. Die wollten genau von uns wissen, wie ihre Autos bei uns ankommen und was man anders machen müsste, ob der Agentur-Vertrieb das richtige ist oder der Name MG passt. Wir haben den Eindruck, die Chinesen meinen es ernst. Die sind gekommen, um zu bleiben und hören genau zu. Sie lernen extrem schnell und nehmen Kritik und Anregungen viel offener auf.

Und in Japan?

Wenn sie in Japan etwas kritisieren, sind die schnell beleidigt. Da muss man mit Verbesserungsvorschlägen extrem vorsichtig sein. Die Japaner haben 25 Jahre gebraucht, um Autos zu bauen, die haptisch und optisch den europäischen Standards entsprechen. Die Koreaner haben 12 bis 13 Jahre gebraucht. Die Chinesen haben das in fünf geschafft.

Ist die Angst in Europa vor der Offensive der Chinesen also berechtigt? Schließlich haben die Hersteller in China enorme Kostenvorteile und dazu noch die Kompetenz beim Elektroantrieb.

Angst ist sicher etwas übertrieben und getragen von der Berichterstattung. Die deutschen Premium-Hersteller müssen sich eher weniger Gedanken machen. Aber im Volumensegment, bei den Brot-und-Butter-Autos, da werden die Chinesen den europäischen Herstellern schnell Marktanteile abnehmen. Das wird schneller gehen als bei den Japanern, weil die Chinesen insgesamt flexibler sind.

Wird den chinesischen Herstellern gelingen, was die japanischen oder koreanischen nicht geschafft haben, die Europäer zu verdrängen?

Das glaube ich nicht. Die Europäer haben ja immer auch dazugelernt. Vor 45 Jahren war ein Toyota unkaputtbar, und in einen Fiat hat’s reingeregnet. Heute hält der Toyota immer noch lange, aber in den Fiat regnet es nicht mehr rein.

Werden die Europäer auch beim Elektroantrieb dazulernen, wo die Chinesen schon einen Vorsprung haben?

Der Elektroantrieb ist sicher ein Game Changer. Aber auch da spielt die Zeit für die deutschen und europäischen Autohersteller. Alle arbeiten an der neuen Feststoffbatterie, die in vier oder fünf Jahren kommen soll, die länger lebt, keinen Leistungsabfall mehr hat und deutlich höhere Reichweiten ermöglicht. Das wird der nächste große Schritt bei der Elektrifizierung. Dann werden die Karten neu gemischt.

Wieviel Marktanteil kann man den chinesischen Herstellern zutrauen?

Chinesische Marken werden sich irgendwo bei 10, 12, vielleicht sogar 15 Prozent Marktanteil einreihen. Und da wird der eine oder andere Volumen abgeben müssen, denn der Markt wächst nicht mehr.

Sie verkaufen MG und BMW oft im gleichen Autohaus. Wandern BMW-Kunden zu MG ab?

Bisher kein einziger. Vielleicht wenn er für seine Kinder oder für seine Frauen einen Zweitwagen sucht. Da kauft eher der eine oder andere MG-Kunde später einen BMW, wenn sein Budget das zulässt.

Als BMW-Händler haben Sie ja mit dem i3 schon längere Zeit Erfahrung mit Elektroautos. Wo stehen wir derzeit?

Der i3 hatte bei der Nachfrage so seine Wellen. Als er noch gebaut wurde, haben viele Kunden die Nase gerümpft über das Auto. Er war nicht leicht zu verkaufen. Dann wurde er eingestellt und es gab diesen Elektro-Hype. Plötzlich ist die Nachfrage nach Gebrauchten gestiegen und damit auch der Preis. Jetzt wären wir froh, wenn wir noch ein paar hätten.

Betrachten Autohändler die E-Mobilität nicht mit Sorgen? Schließlich sind die Fahrzeuge angeblich viel günstiger in Wartung und Reparatur.

Das kann ich so nicht bestätigen. Die Kosten verlagern sich nur in andere Bereiche. So ein Elektroauto braucht deutlich mehr Reifen als ein Benziner oder Diesel, auch wegen des Gewichts und der Beschleunigung. Hinzu kommt die Elektronik und Sensoren. Da wird jede Reparatur schnell sehr teuer. Ich sehe keinen wirklichen Unterschied zu den Rechnungen, die wir Kunden mit Elektroautos oder Verbrennern schreiben. Auch weil der Stundenlohn höher ist. Denn die Mitarbeiter, die an Elektroautos arbeiten dürfen, müssen besser ausgebildet sein.

Wie entwickelt sich denn der Automarkt?

Ich glaube, dass wir die drei Millionen Plus an Neuwagen und sieben Millionen Plus an Gebrauchten von früher in Deutschland nicht mehr sehen werden. Das ist vorbei. Wir haben 50 Millionen Autos im Land und das scheint die Obergrenze zu sein. Die Autos halten schließlich alle länger. Ich denke, wir werden uns auf 2,5 Millionen Neuwagen und 6 bis 6,5 Millionen Gebrauchtwagen einpendeln.

Sind das nicht schlechte Nachrichten für einen Autohändler?

Ich bin trotzdem zuversichtlich. Wir haben ja auch immer weniger Autohändler. Der einzelne Händler macht dann mehr. Das haben wir auch dieses Jahr gesehen. Wir haben vergangenes Jahr 38.000 Autos verkauft, dieses Jahr werden es 41.000 sein. (cen)


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Burkhard Weller.

Burkhard Weller.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Auto Weller


Burkhard Weller.

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