Arne Joswig: „Wir waren von der Art und Weise überrascht“

Der Präsident des Zentralverbands Deutsches KFZ-Gewerbe, Arne Joswig, kritisiert die abrupte Einstellung der Förderung der Elektromobilität. „So kann man weder mit dem Handel noch mit dem Mittelstand umgehen.“ Joswig begrüßt die Bereitschaft der Hersteller und Importeure, den staatlichen Anteil der Förderung zu übernehmen, doch „kann es nicht sein, „dass Hersteller und Handel durch das unsägliche Fehlverhalten der Regierung unter Druck gesetzt werden“. Joswig schätzt, dass rund 60.000 Autos von der Streichung betroffen sind. Gleichzeitig bezweifelt der ZDK-Präsident, dass bis zum Jahr 2030 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen rollen werden. Mit Arne Joswig sprach Walther Wuttke.

Wie sehr hat Sie die plötzliche Ankündigung am Samstag, die Förderung für Elektrofahrzeuge einzustellen, überrascht?

„Wir waren vom zeitlichen Rahmen und der Art und Weise total überrascht. Es gab vorab keinerlei Anzeichen, dass dies so umgesetzt werden soll. Dass die Förderung reduziert und irgendwann ganz eingestellt werden sollte, war nicht unbekannt. Wir haben damit gerechnet, dass die Förderung im ersten Quartal 2024 ausläuft. Dann kam am Samstag um 10:15 Uhr die Information vom Wirtschaftsministerium, und Fristende war am Sonntag um 24 Uhr. Bedingung für einen Förderantrag ist ein zugelassenes Fahrzeug. Die Zulassungsstellen waren geschlossen, und die Schnittstellen für Großkunden, Fahrzeuge digital zuzulassen, funktionieren leider noch nicht. Das ist eine ganz neue Art, ein Förderprogramm zu beenden, und das ist für uns auch nicht akzeptabel, weil dabei die Verlässlichkeit weder für den Hersteller und die Händler noch für den Kunden gegeben ist.“

Können Sie schon absehen, wie viele Kunden betroffen sind?

„In der Vergangenheit hatten die E-Autos eine relativ lange Vorlaufzeit bei den Bestellungen. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre können wir davon ausgehen, dass für rund 60.000 Autos, die im Dezember und Januar kurz vor der Auslieferung stehen, die Förderung entfällt.“

Gehen Sie davon aus, dass es jetzt verstärkt zu Stornierungen von Aufträgen kommt?

„Wir sehen ja ganz aktuell, dass fast alle Hersteller und Importeure in die Bresche springen und den Kundinnen und Kunden jetzt auch den staatlichen Anteil des Umweltbonus zumindest für die Zulassungen bis zum 31. Dezember gewähren wollen. Dafür sind wir sehr dankbar. Es kann aber nicht sein, dass wir – sprich Hersteller und Handel – durch das unsägliche Fehlverhalten der Regierung unter Druck gesetzt werden und uns im Sinne der Kundinnen und Kunden gezwungen sehen, es zu korrigieren. Das Vertrauen in eine nachvollziehbare und rationale Politik der Bundesregierung zur Förderung der Elektromobilität ist massiv beschädigt worden. So kann man weder mit der Industrie noch dem Mittelstand umgehen.“

Welche Erwartungen hat der Handel an den Absatz von E-Mobilen im kommenden Jahr?

„Über das Ziel, den Verkehr zu dekarbonisieren sind sich alle Beteiligten einig. Das steht außer Frage. Dabei war die Förderung natürlich hilfreich. Wenn man jetzt das Geld streicht und gleichzeitig die Menschen verunsichert, weil die Bedingungen nicht mehr planbar sind, wird der Absatz im kommenden Jahr einen deutlichen Dämpfer bekommen. Wir rechnen mit einem Rückgang von mehr als 60 Prozent. Die Förderung betrifft ja vor allem die Volumensegmente. Dort fällt die fehlende Förderung auch bei Finanzierung oder Leasing besonders ins Gewicht und wird die monatliche Rate entsprechend in die Höhe treiben. Das gilt auch für die Leasingverträge, bei denen die Bafa-Förderung als Sonderzahlung vorgesehen war. Es sei denn die Kunden übernehmen die Zahlung selbst.“

Die Händler haben in den vergangenen Jahren, auch von den Herstellern getrieben, in die E-Mobilität investiert. Welche Größenordnung haben diese Investitionen erreicht?

„In den vergangenen Jahren haben wir unsere Mechatroniker entsprechend geschult und zu Spezialisten gemacht. Insgesamt wurden 180.000 Kfz-Mechatroniker auf die E-Mobilität vorbereitet. Zusätzlich haben wir rund 15.000 Hochvolttechniker geschult. Das hat eine Menge Geld gekostet. Außerdem hat jeder Handelsbetrieb im Durchschnitt vier bis sechs Ladesäulen eingerichtet. Zusätzlich mussten die Händler auch in die Infrastruktur für die Säulen investieren. Da kommen schnell sechsstellige Beträge pro Betrieb zusammen. Wie sich das rechnen soll, werde ich im kommenden Jahr auch Herrn Habeck fragen. Wir wollen von der Politik wissen, wie man sich das weitere Vorgehen vorstellt.“

Glauben Sie, dass sich die gestrichene Förderung langfristig auf das Kaufverhalten auswirken wird? Oder werden die Kunden nach einer gewissen Zeit wieder zurückkommen?

„Die Frage ist, wann der Absatz wieder hochläuft. Angesichts der aktuellen Verunsicherung ist es möglich, dass die Kunden abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Ich glaube, dass wir zusammen mit den Herstellern Modelle entwickeln müssen, um die Kunden zu überzeugen, ein Auto im Leasing zwei bis drei Jahre zu fahren. Über diesen Weg haben wir eine Chance, die Elektromobilität weiterzuentwickeln. Ich erwarte daher von den Herstellern, die Elektrofahrzeuge mittels entsprechender Finanzierungs- oder Leasingmodelle attraktiv zu gestalten. Nach drei Jahren kommen die Leasingfahrzeuge wieder zurück zum Handel und bedienen dann als Gebrauchtwagen ein Preissegment, das wir aktuell noch nicht im Angebot haben. Wenn der Hersteller dann auch noch für die Batterie garantiert, werden die gebrauchten E-Mobile interessant.“

Glauben Sie, dass chinesische Hersteller stärker auf den Markt drängen werden?

„Aktuell sehen wir noch nicht so viele chinesische Fahrzeuge im Preiswert-Segment. Aber sie werden in Zukunft kommen. Den Chinesen fehlen zudem noch Händlernetze. Ich kann mir aber vorstellen, dass Händler, die mit den weiter steigenden Anforderungen mancher Hersteller unzufrieden sind, sich durchaus mit dem Gedanken beschäftigen, ein chinesisches Fabrikat zu wählen. Dass wir auf absehbare Zeit mit diesen Herstellern auch hier in Deutschland und Europa rechnen müssen, ist allen Beteiligten klar.“
Glauben Sie, dass das Ziel 15 Millionen Elektroautos bis 2030 erreichbar ist?
„Ich habe in den vergangenen Tagen viel Zeit mit meinem Taschenrechner verbracht, und es ist mir nicht gelungen, auf die 15 Millionen zu kommen. Nach den letzten Aktionen wird es noch schwerer sein, dieses Ziel zu erreichen.“ (cen)


Wenn Sie der Artikel für Ihr Medium interessiert, registrieren Sie sich bitte hier!
Dann können Sie den Artikel oder die Bilder und Videos herunterladen.


Bilder zum Artikel

ZDK-Präsident Arne Joswig.

ZDK-Präsident Arne Joswig.

Foto: Autoren-Union Mobilität/ZDK