Fahrbericht Renault Scenic: Verdiente Auszeichnung

Die Entscheidung, welches Fahrzeug in Europa sich denn nun mit der begehrten Auszeichnung „Auto des Jahres 2024“ schmücken durfte, fiel Ende Februar auf dem Genfer Automobilsalon. Und sie war denkbar knapp. Am Ende stimmten die 59 Mitglieder der Jury aus 22 Nationen für den Renault Scenic E-Tech Electric, den seit 1996 vom Van in mehreren Generationswechseln zum nunmehr vollelektrischen Fahrzeug gewandelten Crossover. Es ist der siebte Titel für die Marke, den auch schon der erste Scénic 1997 eingeheimst hatte (damals noch mit accent aigu geschrieben).

Auf Anhieb ins Auge fällt die gelungene Arbeit der Designer, die hier laut Renault zum ersten Mal ein Vollelektrofahrzeug komplett nach Vorgaben der neuen Formensprache des Unternehmens gestalteten. Das zeigt sich besonders deutlich am Gesicht des Wagens, wo das typische Markenzeichen der beiden ineinander verschlungenen Renault-Rhomben in einem breiten Streifen kleiner Rhomben eingebettet großformatig hervorsticht. Darüber hinaus wiederholen sich Teile dieser geometrischen Gestalt beispielweise vorne halbiert in der Art der Tagfahrleuchten und hinten an den Heckleuchten, was optisch der Breite des Fahrzeugs zugutekommt.

Ein Crossover wie der Renault Scenic E-Tech sollte die Merkmale unterschiedlicher Fahrzeugkategorien aufweisen. In seinem Fall sind das die Eigenschaften eines SUV, was er mit seiner eindrucksvollen Motorhaube, den ausdrucksstarken Kotflügeln und der Dachreling unterstreicht. Den Eindruck einer Limousine andererseits machen die seitlich gestreckten Fenster, die flach geneigte Windschutzscheibe und die abfallende Dachpartie. Alles in allem vermittelt die Karosserie eine kraftvoll-dynamische Wahrnehmung ohne überflüssige Kinkerlitzchen, jedoch keineswegs übertrieben bescheiden. Im Rückspiegel eines voranfahrenden Autos dürfte der Wagen als eindrucksvolle Erscheinung auftauchen.

Im Innenraum finden die Passagiere viel Platz. Das gilt nicht nur für die Menschen auf den Vordersitzen, die durch eine breite Mittelkonsole voneinander getrennt sind, das gilt ebenso für die hinten sitzenden Mitfahrer, denen für Knie, Ellbogen und Kopf viel großzügig bemessener Raum zur Verfügung steht. Hier kann das Auto seine Eignung als familienfreundlicher Reisewagen voll und ganz erfüllen, zumal auch der Kofferraum ein mehr als ausreichendes Fassungsvermögen für die Mitnahme von Urlaubsgepäck aufweist. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von Staufächern für allen möglichen Krimskrams. Irgendjemand bei Renault hat deren Gesamtfassungsvermögen ausgerechnet. Es sollen genau 38,7 Liter sein.

Besonders stolz ist Renault darauf, dass im Innenraum bemerkenswert viel recyceltes Material zu finden ist. Der Instrumententräger zum Beispiel besteht aus wiederverwendetem Polypropylen, nämlich aus ehemaligen Sicherheitsgurten und Plastikflaschen. Daneben gibt es eine Reihe von natürlichen Materialien. Der Bezug des Instrumententrägers beispielsweise basiert zu 43 Prozent auf Kenaf, einer Pflanze, die juteähnliche Fasern liefert.

Wenn auch Renault-Produktmanager Simon Scherzer als Zielgruppe unter anderem junge Familien nennt, so eignet sich der Wagen dank einiger angenehmer Details auch für ältere Reisende. Alle vier Türen lassen sich weit öffnen, was den Ein- und Ausstieg erleichtert. Darüber hinaus verleiht die SUV-typische höhere Sitzposition eine verbesserte Rundumsicht. Lediglich die untere Kante des Kofferraums ist etwas hoch geraten, so dass ein Beladen mit schweren Getränkekisten etwas stärkere Armmuskeln erfordert. Zudem könnten die Vordersitze bei recht flott gefahrenen Kurven einen Hauch mehr Seitenhalt bieten – aber der Scenic E-Tech erhebt ja auch nicht den Anspruch eines Sportwagens, obwohl sich seine Beschleunigungsfähigkeiten durchaus spüren und sehen lassen können.

Manche Fahrerin oder Fahrer dürfte eine Sache ärgern, die nicht nur bei Renault, sondern inzwischen auch bei anderen Elektroautos in Mode gekommen ist, nämlich der Hebel für Vor- und Rückwärtsfahrt sowie Park- und Neutralstellung wie in grauer Auto-Vorzeit als eine Art Lenkradschaltung. Da kann es beispielsweise nach dem Start passieren, dass unbeabsichtigt statt des Autos die Scheibenwischer in Bewegung versetzt werden.

Doch einmal in Fahrt unterstreicht der E-Scenic seinen Komfort à la française. Schlaglöcher, Unebenheiten der Straße oder herausragende Kanaldeckel schluckt er anstandslos, was dabei aber teilweise den Menschen am Lenkrad über die Beschaffenheit des Untergrunds im Unklaren lässt. Sofern aber sie oder er die Grenzen der Physik nicht übertrieben auslotet, gehorcht der Wagen buchstäblich dem kleinen Finger, reagiert freilich bei zügig durcheilten Kurvenpassagen gerne mit Untersteuern und möchte über die Vorderachse schieben. Die ganz große Stärke beweist das Auto aber als ausgesprochen bequemer und komfortabler Reisewagen, mit dem sich auch längere Fahrten ermüdungsfrei bewältigen lassen.

Wenn auch bei den ersten Probefahrten ausschließlich die Topversion 220 Long Range mit dem starken 160-kW-Motor und der 87 kWh großen Batterie zur Verfügung stand, so gibt es den neuen Strom-Scenic auch als Basisvariante 170 Comfort Range mit 125 kW (170 PS) und kleinerer 60-kWh-Batterie, was verständlicherweise zu Lasten von Reichweite und Höchstgeschwindigkeit geht. Doch an einer DC-Schnellladesäule versorgen sie sich fast zeitgleich mit Energie. Um von 15 auf 80 Prozent Batterieladung zu kommen, braucht der kleinere 60-kWh-Akku 32 Minuten, der größere 87-kWh-Akku 37 Minuten.

Insgesamt sind fünf unterschiedliche Ausführungen des Wagens bestellbar, nämlich als Basisversion der Renault Scenic E-Tech Electric Evolution Comfort Range, darüber das Paket Techno Comfort Range mit einigen zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen (beide mit der etwas schwächeren Antriebskombination). Weiter oben rangieren die Versionen mit stärkerem Motor und größerer Aufnahmefähigkeit der Batterie. Es sind dies der Techno 220, der Esprit Alpine 220 und der Iconic 220. Mit jeder Stufe steigt auch die Zahl zusätzlicher Assistenzsysteme, von denen insgesamt mehr als 30 zur Verfügung stehen. Das macht sich selbstverständlich nicht zuletzt im Preis bemerkbar, dessen Spanne von 41.400 Euro bis 52.100 Euro reicht. Dabei umfasst bereits die Basisversion serienmäßig ein reichhaltiges Maß an Einrichtungen für Sicherheit, Komfort und Unterstützung von Fahrerin oder Fahrer. Produktmanager Scherzer geht davon aus, dass die Ausstattungslinie Techno Long Range den größten Zuspruch finden wird.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass der neue Renault Scenic E-Tech Electric kaum Wünsche offen lässt. Als Leichtgewicht für ein Batterieauto, mit seinen verhältnismäßig geringen Außenmaßen und vorbildlicher Übersicht kann er als Stadtwagen punkten, mit seinem Komfort, seinem Platz im Innenraum und seiner serienmäßigen Ausstattung als vorzügliche Reiselimousine. Ganz so wie es sich für ein Auto des Jahres gehört. (cen)

Daten Renault Scenic E-Tech Electric 220 Long Range

Länge x Breite x Höhe (m): 4,47 x 1,86 x 1,57
Radstand (m): 2,79
Antrieb: Fremderregter Synchron-E-Motor, FWD, automatisches Untersetzungsgetriebe
Leistung: 160 kW / 218 PS
Max. Drehmoment: 399 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 7,9 Sek.
Elektr. Reichweite: 625 km (WLTP)
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 16,8 kWh
CO2-Emissionen: 0 g/km (WLTP)
Leergewicht (EU)/ Zuladung: min. 1927 kg / max. 814 kg
Kofferraumvolumen: 545–1670 Liter
Max. Anhängelast: 1100 kg
Preis: 48.900 Euro


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Renault Scenic E-Tech Electric.

Renault Scenic E-Tech Electric.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Renault


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Footage: Renault Scenic E-Tech Electric.

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Video: Autoren-Union Mobilität/Renaulkt