Der Sanierer: Carlos Tavares übernahm vor zehn Jahren das Ruder

Vor zehn Jahren sah die Zukunft des PSA-Konzerns (Peugeot/Citroën) düster aus. Das Unternehmen schrieb tiefrote Zahlen und hatte gerade einen Verlust von 2,3 Milliarden Euros für das Jahr 2013 melden müssen. Ein Jahr zuvor waren es fünf Milliarden Euro gewesen. Der Absatz der Fahrzeuge mit dem Löwen im Wappen und dem Doppelwinkel war im Vergleich zu 2011 um 20 Prozent gesunken. Um überhaupt zu überleben, sprangen der französische Staat und der chinesische Konzern Dongfeng ein und pumpten Kapital in den Konzern. Gleichzeitig wurde die traditionsreiche Fabrik in Aulnay vor den Toren von Paris gegen den erbitterten Widerstand von Gewerkschaften und der Politik geschlossen. Bei der Suche nach dem Retter des Konzerns entdeckte die Familien Peugeot einen Manager, der von seiner Rolle als ambitionierter Kronprinz frustriert war.

Der Portugiese und Hobby-Motorsportler Carlos Tavares fühlte sich in der Allianz Renault-Nissan hinter dem damals unangefochtenen Konzernlenker Carlos Ghosn nicht mehr wohl, und weil Ghosn offensichtlich keine Lust hatte, die Zügel aus der Hand zu geben, sagte Tavares nach einem Anruf der Familie Peugeot zu, das vermeintliche Himmelfahrtskommando anzunehmen und startete am 1. April 2014, also vor zehn Jahren, seine Laufbahn bei dem angeschlagenen PSA-Konzern. Seinen Abschied von Renault-Nissan hatte er bereits Anfang August 2013 in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg erstaunlich offen angedeutet. „An einem bestimmten Zeitpunkt hat man die Energie und den Appetit, die Nummer Eins zu werden. Von meinen Erfahrungen könnte jeder Hersteller profitieren.“

Am 1. April vor zehn Jahren zog der Portugiese in die Konzernzentrale in der Avenue de la Grande Armée in Paris ein und begann mit seinen Aufräumarbeiten, die teils unangenehme Folgen für die Mitarbeiter hatten. Seine Methode war einfach. Tavares hob die Preise der Modelle an, senkte die Fixkosten und zähmte die variablen Ausgaben. Er führte in dem Konzern eine neue Sparpolitik ein und, um möglichst viel Geld zu sparen, bleib auf allen Etagen des Unternehmens nichts, wie es früher war. Ein Jahr nach seinem Antritt in Paris erzielte PSA seinen ersten Gewinn, und die Mitarbeiter erhielten eine Bonuszahlung von durchschnittlich 2000 Euro, die von einigen auch als Schmerzensgeld aufgefasst wurde.

Nachdem er seine Sparpolitik in Paris eingeführt hatte, begann er mit der Suche nach Herstellern, die er in die PSA integrieren konnte. Erster Neuzugang wurden im Jahr 2017 die europäischen Ableger von General Motors, Opel in Deutschland und Vauxhall in Großbritannien. Im Jahr 2012 hatte PSA noch mit General Motors über einen Zusammenschluss verhandelt. Durch die Übernahme von Opel/Vauxhall wuchs die PSA von 3,1 Millionen Fahrzeugen pro Jahr auf einen Absatz von 4,3 Millionen Modellen.

Allerdings hatten die beiden Marken seit 20 Jahren dank der Geschäftspolitik der Amerikaner nur noch rote Zahlen geschrieben. Wie in Paris blieb auch in Rüsselsheim kein Stein auf dem anderen, wurden Abteilungen verkauft oder in selbstständige Einheiten umgewandelt, und wie in Frankreich wechselten auch in Hessen die Zahlen von Tiefrot in ein angenehmes Schwarz.
Mit dieser Übernahme war sein Hunger allerdings noch lange nicht gestillt, und deshalb griff er nach dem US-Italienischen FCA-Konzern, nachdem Gespräche über einen Zusammenschluss mit der Allianz Renault-Nissan gescheitert waren. Dass er damit seinen Rivalen Carlos Ghosn in die Schranken weisen konnte, mag auch eine Rolle gespielt haben. Außerdem wurden die beiden Unternehmen von den Familien Peugeot und Agnelli geführt und hatten bereits viele Jahre bei gemeinsamen Projekten zusammengearbeitet. Ende Dezember 2019 wurde der Vertrag unterzeichnet und der neue Konzern Stellantis mit Sitz in den Niederlanden gegründet. 14 europäische und US-amerikanische Unternehmen gingen von nun an gemeinsam an den Start.

Tavares blieb bei seinem Kurs, mit dem er bereits PSA und Opel in die schwarzen Zahlen geführt hatte, der bei seinen Mitarbeitern nicht immer gut ankam, dafür aber die Aktionäre erfreute. Im vergangenen Jahr erreichte Stellantis einen Gewinn von 18,6 Milliarden Euro, und zahlte an die Anteilseigner 7,7 Milliarden Euro aus. Gleichzeitig erzielte der Konzern eine operative Marge von 13 Prozent und lag damit weit vor Volkswagen, Ford und General Motors.

Aktuell treibt Tavares den Wechsel der Stellantis-Marken zur Elektromobilität voran und weist dabei auch die Politik in ihre Schranken. Der vierfache Großvater denkt an die CO2-Vermeidung, weist aber deutlich darauf, dass die Verantwortlichen nicht allein die Neuwagen des Jahres 2035 ins Visier nehmen müssten, sondern auch die weltweit 1,3 Milliarden Verbrennermodelle nicht vergessen dürfen. Stellantis ist zwar auf dem chinesischen Markt kaum präsent, hat aber 1,5 Milliarden Euro in den chinesischen Hersteller Leapmotor investiert, um preiswerte Elektromobile in Europa zu produzieren.

In zwei Jahren endet der Vertrag des 65-Jährigen, und bereits heute wird die Frage diskutiert, ob der Portugiese einfach weitermacht oder seinen Platz für einem Nachfolger räumt. Nach einem Bericht der Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ gibt es bereits zwei interne und drei externe Kandidaten. (cen)


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Bilder zum Artikel

Carlos Tavares auf der CES 2022.

Carlos Tavares auf der CES 2022.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Stellantis