Mahle navigiert durch schwierige Zeiten

Etwas links, etwas rechts, immer dem Pfeil nach, jetzt steht das Auto genau auf der Ladeplatte. Eine Software hat beim exakten Einparken geholfen. Jetzt startet automatisch der Ladevorgang mit 11 kW, induktiv, und ohne dass ein Stecker angefasst werden muss. In seinem System zum induktiven Laden sieht der Autozulieferer Mahle einen wichtigen Baustein, die Elektromobilität komfortabler und attraktiver zu gestalten. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen die ersten Autos damit auf die Straße rollen. Ob von einer deutschen oder chinesischen Marke, steht noch nicht fest, sagt Mahle-Vorstandschef Arnd Franz. „Auch ein japanischer Hersteller hat Interesse.“ Der internationale Ingenieursverband SAE hat die Mahle-Entwicklung jüngst zum Industriestandard erhoben.

Induktives Laden ist eine der Entwicklungen des weltweit aufgestellten Stuttgarter Unternehmens im Bereich der E-Mobilität. Denn die Zukunft ist elektrisch, weiß man auch bei Mahle. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen bereits 60 Prozent des Umsatzes mit Komponenten erzielt, die nicht direkt am Verbrennungsmotor hängen. 70 Prozent der Patente, die das Unternehmen anmeldet, kommen aus dem Bereich Elektrifizierung. Mahle, einst vor allem als Kolbenschmiede bekannt, steht in einem umfassenden Transformationsprozess. „Wir sind bereit für die Mobilitätswende“, sagt Arnd Franz bei der Präsentation des Jahreszahlen 2023. Die Frage ist nur, sind auch die Märkte schon bereit.

Denn die Wende zur E-Mobilität stockt nicht nur in Europa und Nordamerika, auch in China liegt das Wachstum des Marktes unter den Erwartungen. Derzeit wird in China vor allem in die Technik der Plug-in-Hybride investiert. Denn die Kunden trauen auch dort dem Batterieauto und seiner limitierten Reichweite noch nicht so recht. Außerhalb der Ballungszentren ist das Ladenetz in China zudem nicht recht löchrig.

Die aktuelle Verunsicherung der Kunden in Europa hat sich in der Mahle-Bilanz für 2023 noch kaum gezeigt. „Mahle hat die Trendwende geschafft“, sagt Arnd Franz zu Gewinn und Umsatz. Mit 12,8 Milliarden Euro hat das Stiftungsunternehmen einen Rekord-Umsatz erzielt. Bereinigt um Einmal-Effekte und den Wechselkurs waren das 8,2 Prozent mehr als 2022. Unter dem Strich hat Mahle mit seinen 72.000 Mitarbeitern im vergangenen Jahr wieder ein Plus erwirtschaftet: Der operative Gewinn stieg um 244 Millionen Euro auf 304 Millionen Euro, das Netto-Ergebnis (mit Zinsen und Abschreibungen) lag bei 26 Millionen Euro. 2022 war es noch minus 332 Millionen Euro.

Damit hat es Mahle geschafft, den Schuldenberg aus den Übernahmen der vergangenen Jahren etwas abzutragen – von 1,68 auf 1,35 Milliarden Euro. Der Verschuldungsgrad, das Verhältnis von Schulden und Gewinn und damit eine wichtige Messgröße für die Schuldenlast, sank von 2,5 auf gesunde 1,5. Er soll im laufenden Jahr weiter sinken.

Größter Umsatzbringer ist mit 4,59 Milliarden Euro der Bereich Thermomanagement. Hier hat Mahle vergangene Woche den größten Einzelauftrag seiner Geschichte eingefahren für ein System, das in Elektroautos für das richtige Klima sorgt. Das wird aber erst 2024 ergebniswirksam. Mit 2,636 Milliarden Euro sind die klassischen Motorkomponenten zweitgrößter Bereich. Auch hier ist Mahle weiter gewachsen. Franz: „Unser traditionelles Geschäft entwickelt sich weiter sehr gut.“

Und das Verbrennergeschäft soll weiter wachsen. Denn der Umstieg auf die E-Mobilität wird in den größten Märkten doch länger dauern als ursprünglich gedacht. So verkauft Mahle an den Motorenbauer Deutz Komponenten für Wasserstoffmotoren. Denn in Schwerlastverkehr und bei Baustellenfahrzeugen glaubt Mahle nicht an eine schnelle Elektrifizierung. „Hier werden Verbrennungsmotoren auf absehbare Zeit der Antrieb der Wahl bleiben“, sagt Franz. Solche Motoren müssten mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden, wenn der Gütertransport einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz leisten soll.

Auch für die Bestandsflotte der Pkw auf Europas Straßen sieht Arnd Franz alternative Kraftstoffe als beste Lösung, um den CO2-Ausstoß des Verkehrs spürbar zu senken: „Wir müssen weg von fossilen Kraftstoffen.“ Japan, China und Nordamerika hätten längst eine solche „Multipfadstrategie“ beschritten. Der Mahle-Chef erwartet, dass auch die EU 2026 ihre Strategie, den Verbrennungsmotor zu verbannen, ändern wird. Mahle macht 20 Prozent seines Umsatzes in Asien-Pazifik, 28 Prozent in Nordamerika und 46 Prozent in Europa.

Wie es für das Unternehmen 2024 weitergeht, ist schwer vorherzusagen. Nach dem abrupten Ende der Elektroförderung in Deutschland ist die Nachfrage nach Elektroautos eingebrochen. Die Überkapazitäten in den E-Auto-Fabriken führen zu einem Preiskampf zwischen den Herstellern, die den Druck gerne an ihre Zulieferer weitergeben. Zudem kommen mit den chinesischen Marken neue Wettbewerber nach Europa: „Für jedes hier verkaufte Auto aus China wird in Europa ein Auto weniger gebaut“, sagt Arnd Franz, der zwar für offene Märkte ist, aber unter fairen Bedingungen. (cen/gr)


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Bilder zum Artikel

Induktives Ladesystem von Mahle.

Induktives Ladesystem von Mahle.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Mahles Positionierungssystem DIPS für induktives Laden von Elektrofahrzeugen.

Mahles Positionierungssystem DIPS für induktives Laden von Elektrofahrzeugen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Gemeinsam mit Siemens hat Mahle induktive Ladestationen entwickelt.

Gemeinsam mit Siemens hat Mahle induktive Ladestationen entwickelt.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Mahle-CEO Arnd Franz.

Mahle-CEO Arnd Franz.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Mahle-Zentrale in Stuttgart.

Mahle-Zentrale in Stuttgart.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Mahle Entwicklungszentrum für Batterietechnologien in Stuttgart.

Mahle Entwicklungszentrum für Batterietechnologien in Stuttgart.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Thermomanagement-Modul von Mahle.

Thermomanagement-Modul von Mahle.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Bei der Entwicklung einer neuen und effizienteren Batteriekühlplatte hat sich Mahle bei den Flüssigkeitskanälen an Strukturen in der Natur orientiert.

Bei der Entwicklung einer neuen und effizienteren Batteriekühlplatte hat sich Mahle bei den Flüssigkeitskanälen an Strukturen in der Natur orientiert.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Wasserstoffmotor bei Mahle auf dem Prüfstand.

Wasserstoffmotor bei Mahle auf dem Prüfstand.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle


Mahle-Chef Arnd Franz mit dem E-Kompressor (links) und dem E-Motor MCT.

Mahle-Chef Arnd Franz mit dem E-Kompressor (links) und dem E-Motor MCT.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Mahle