Fahrbericht Lotus Emira: Nach guter alter Tradition

Lotus, das ist ein automobiler Mythos von ungewöhnlicher Tiefe. Design, Leichtbau, Rennsport, Britishness: Die Marke hat in jeder Ära ihrer wechselvollen Geschichte einzigartige Akzente gesetzt. Und das gilt noch heute. Im Jahre 2017 hat der chinesische Geely-Konzern 51 Prozent der Anteile übernommen. Seitdem hat sich am Firmensitz in Hethel – einem ehemaligen Areal der Royal Air Force, das Firmengründer Collin Chapman 1966 übernommen hatte – sehr viel getan.

Doch die hauseigene Teststrecke und die Produktionshallen atmen nach wie vor den Geist der Geschichte. Und aus den offen verglasten Büros im ersten Stock können die Mitarbeiter auf der einen Seite die Teststrecke, auf der anderen Seite die Sportwagenmontage sehen. Vielleicht ist auch das ein Grund für die Begeisterung der Mitarbeiter für diese besonderen Autos.

Lotus will zwar elektrisch werden, doch der Emira ist ein Mittelmotor-Sportwagen klassischer Bauart, angetrieben von einem 3,5-Liter-V6-Kompressor oder dem neuen 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo, den wir jetzt gefahren sind. Er ist also kein Elektroauto, nicht einmal ein Hybrid. Trotzdem haben die Chinesen einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag in seine Entwicklung und in die Produktion investiert. Denn er steht für die klassischen Gene der Marke.

Aber auch für neue Werte. Denn in Hethel möchte man endlich an die Qualität von Mercedes-Benz oder Porsche anschließen. Doch bei Stückzahlen von 5000 Emira im Jahr ergibt eine vollautomatisierte Produktion keinen Sinn. Man setzt weiterhin auf Handarbeit, der Bau eines Emira dauert zweieinhalb Tage. Das alles jedoch abgeprüft per automatisierter Qualitätssicherung: Allein an der Karosserie werden 250 Punkte auf Passgenauigkeit gemessen.

Der neue Vierzylinder, der den von Toyota zugelieferten V6 ergänzt, kommt von Mercedes-AMG. Mit seinen zwei Litern Hubraum ist er wegen der dort herrschenden hubraumbezogenen Steuerklassen in China deutlich günstiger anzubieten, doch er passt ohnehin gut zu Lotus. Die Briten haben eine langjährige Tradition von Vierzylinder-Hochleistungsmotoren, und der Motor ist auch leichter als der V6. Das AMG-Aggregat ist effizient und durchentwickelt, das Acht-Gang-Doppelkupplungsgetriebe kann ohne jegliche Änderungen angeflanscht werden – anders als das Sechs-Gang-Automatikgetriebe des V6. Den gibt es allerdings auch mit puristischen Handschaltgetriebe, den Emira nicht.

Das Design des 441 Zentimeter und nur 123 Zentimeter hohen Emira lehnt sich an den Supersportwagen Lotus Evija an. Das Interieur ist erstaunlich bequem, auch für großgewachsene Fahrer, und mit hochwertigem Alcantara ausgekleidet. Die Qualität im Innenraum ist gut, hat sich aber einen Teil des „Handmade“-Charakters erhalten.

Nachdem frühere Lotus keine Wunder an Ergonomie waren, haben die Briten beim Emira deutlich dazugelernt. Der Fahrer steht im Mittelpunkt, die Schalter und Hebel sind dort, wo man sie vermutet. In den Kofferraum bekommt man zwei Handgepäckskoffer, hinter die Sitze passt die sprichwörtliche Golfausrüstung. Die Anzeigen sind gut ablesbar, Apple Carplay liefert perfekte Navigation.

Die vier Kilometer lange Teststrecke ist ein sehr technischer Kurs. Auf dem Rennasphalt funktioniert der Emira ohne Eingewöhnung, die Bremsen sind hervorragend direkt, packen giftig zu. Der Verzicht auf Elektrifizierung sorgt für ein sehr niedriges Leergewicht: Nur 1446 Kilogramm, das ist man bei modernen Autos kaum mehr gewöhnt. Lenkung und Fahrwerk sind ausgelegt, um den Emira zu einem Track-Tool zu machen. Die Gewichtsverteilung des Mittelmotor-Sportwagens ist nahezu perfekt: 48:52.

Dann stehen die Landstraßen um Norwich auf dem Programm; die Landschaft ist idyllisch, die Straßen sind eng, der Belag meist schlecht. Und es regnet viel und oft. Die Anweisung: Bitte auf Schlaglöcher achten, um keine Felgen zu verbiegen. Dieser Test-Emira hat das Sportfahrwerk, ein Touring-Fahrwerk ist optional: Ziemlich hart.

Dieser Sportwagen glänzt mit echtem Motorensound, hier kommen keine künstlichen Frequenzen aus den Lautsprechern der Musikanlage. Direkt im Rücken ist der Vierzylinder markant zu hören, links vom Fahrer lässt sich das Abblaszischen des Turboladers genießen. Kein Ploppen beim Gaswegnehmen, die Verbrennung ist effizient.

Lotus kann es noch: Lenkung, Fahrwerk, Bremse, Motor und Getriebe arbeiten auf den Punkt genau zusammen. Ab 4500 Umdrehungen in der Minute geht es richtig zur Sache. Natürlich gibt es Fahr-Modi: Der „Tour“-Modus ist ideal abgestimmt für die englischen Landstraßen. Gutmütig, mit ganz leichter Übersteuerneigung. „Sport“ sorgt vor allem dafür, dass die Maschine höher dreht. Auf der Landstraße erreicht das Getriebe meist nur den sechsten Gang, auf der Autobahn geht es bis in den achten.

Von 0 auf 100 km/h in 4,4 Sekunden, Spitze 275 km/h, Preis ab 94.495 Euro: Der Lotus Emira ist ein Sportwagen par excellence, und es gibt immer weniger Wettbewerber: Der Porsche 718 wird in Europa gestrichen, am nächsten kommen ihm noch Alpine A110 und BMW Z4. Alltagstauglich, agil, faszinierend: Bleibt zu hoffen, dass Lotus noch lange Autos mit Verbrennungsmotor baut. (cen/Matthias Knödler)


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Lotus Emira.

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Foto: Autoren-Union Mobilität/Knödler


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